Altstadt der neuen Mainzer Partnerstadt Odessa schwer getroffen

Die neue Mainzer Partnerstadt Odessa hat am vergangenen Freitagabend den bisher schwersten russischen Angriff auf seine als Unesco-Welterbestätte anerkannte Altstadt erleiden müssen. Gegen 19 Uhr traf eine russische Lenkrakete das historische Grand-Hotel Bristol, in dem sich traditionell Staatsgäste, Diplomaten und auch Journalisten ausländischer Medien treffen und übernachten. Durch die starke Druckwelle sind 15 weitere Kulturerbestätten in der historischen Altstadt massiv beschädigt worden. Darunter auch die legendäre Philharmonie in der „Neuen Börse“, die als eines der bedeutendsten Baudenkmäler Odessas gilt. 

Durch den Einschlag, der das Hotel nicht vollkommen traf und an einer Gebäudeseite einen riesigen Krater hinterließ, wurden sieben Menschen verletzt.

Auf Anfrage der VRM erklärte der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase: „Odessas Welterbe zu bombardieren ist ein abscheulicher Angriff auf die Identität unserer ukrainischen Partnerstadt. Wir sind in Gedanken bei den Verletzten und unseren Partnern.“ Die immer wiederkehrenden Zerstörungen und die Auslöschung wehrloser und unschuldiger Menschen in Odessa und in der gesamten Ukraine zeigten, dass das angegriffene Land deutlich schneller und umfangreicher als bisher mit wirkungsvollen Luftabwehrsystemen ausgestattet werden müsse. „Davon hängt das Leben der Menschen, das Überleben der Ukraine und – was vielen Menschen in Deutschland noch immer nicht bewusst ist – auch die Sicherheitslage in ganz Europa ab“, betonte der Mainzer Oberbürgermeister.

Für den Städtepartnerschaftsverein Mainz – Odessa, der die Partnerschaft im vergangenen Jahr vorangetrieben hat, erklärte der Vorsitzende Peter Willisch: „Der feige Angriff der russischen Streitkräfte verdeutlicht erneut, wie wichtig es ist, dass wir der Ukraine mit Städtepartnerschaften zur Seite stehen.“ Auch wenn die Zerstörungen nicht ungeschehen gemacht werden könnten: „Die Stadt Mainz sollte so schnell wie möglich ein kraftvolles Zeichen der Unterstützung an Odessa senden, so wie wir als Partnerschaftsverein daran arbeiten, so schnell wie möglich Brücken der Unterstützung und des kulturellen Austauschs zu schlagen“, erklärte der Sprecher des Partnerschaftsvereins.

Nach dem Luftangriff hatte Odessas Oberbürgermeister Hennadij Truchanow berichtet, dass neben dem Hotel Bristol auch die Philharmonie, das Vuchina-Haus, das Museum für westliche und östliche Kunst sowie das Sikara-Haus mit einer Zweigstelle des Literaturmuseums beschädigt wurden. Ob der Anschlag gezielt dem Hotel Bristol galt, in dem zuletzt auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei einem Odessa-Aufenthalt logierte, wurde so schwer beschädigt, dass noch nicht geklärt ist, ob oder wie es wieder hergerichtet werden kann. Wertvolle Kunstschätze, die aus dem odessetischen Museum für westliche und östliche Kunst nach Deutschland gebracht und hier restauriert wurden, werden zur Zeit in Berlin ausgestellt.

Die 14 weiteren betroffenen Baudenkmäler in Odessas Altstadt entstammen ebenfalls der Epoche des 19. Jahrhunderts, in der die Grundlagen für die Blüte der Hafenmetropole am Schwarzen Meer wurden. Der Angriff auf das Weltkulturerbe wird auch als ein Angriff auf die Einbindung Odessas und der Ukraine in die internationale Gemeinschaft gewertet. Die schwer beschädigte Philharmonie mit ihren spektakulären und nun völlig zerstörten Glasfenstern, war erst 2023 unter den verstärkten Unesco-Schutz des Haager Übereinkommens über den Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten gerückt.

Für die rund 200 Gäste, die der Städtepartnerschaftsverein Mainz – Odessa erst am vergangenen Mittwoch zu einem Vortragsabend mit dem Militärexperten und Politikberaters Nico Lange begrüßt hatte, müssen dessen ungeschönte Ausführungen wie eine böse Prophezeihung gewirkt haben. Lange kam zu der Einschätzung, dass Mainz‘ neue Partnerstadt Odessa im Gegensatz zu den Städten Dnipro, Cherson und Charkiw wohl nicht mehr gefährdet sei, von den russischen Streitkräften eingenommen zu werden.

„Die Russen werden aber über ihren fortlaufenden Luftkrieg versuchen, die Altstadt, also das historische Herz von Odessa, zu zerstören“, erklärte Lange, der unter anderem für die Münchener Sicherheitskonferenz arbeitet. Der russische Vernichtungskrieg, der sich unter enormen Verlusten immer weiter in das Land hineinfresse, sei nur aufzuhalten, „wenn die Ukraine Abstandswaffen bekommt, die den russischen Nachschub auf russischen Territorium unterbricht und zerstört“. Anders sei Wladimir Putin nicht an einen Verhandlungstisch zu zwingen.

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